Neue Kolumne

 
1. September 2024

Missbräuchliche Alterskündigung

Ein 64-jähriger Mann arbeitet seit rund 30 Jahren im gleichen Restaurant, zunächst als Koch, dann als stellvertretender Küchenchef. Elf Monate vor seiner Pensionierung erhält er die Kündigung. Das Arbeitsgericht spricht dem Mann wegen missbräuchlicher Kündigung eine Entschädigung von 4 ½ Monatslöhnen zu.

Der Arbeitgeber ist damit nicht einverstanden. Er wendet ein, es bestehe kein Zusammenhang zwischen dem Alter des Mannes und der Kündigung. Den Ausschlag gegeben habe ein schweres Knieleiden und die zweifelhafte Einsatzfähigkeit des Mannes. Die Einstellung der Krankentaggeldzahlungen sei bereits angekündigt worden. Als Arbeitgeber sei er in seinem Betrieb auf ein voll funktionierendes Team angewiesen.

Das Bundesgericht hält fest, dass im Arbeitsrecht das Prinzip der Kündigungsfreiheit gilt. Es bedarf grundsätzlich keiner besonderen Gründe, um kündigen zu können. Ihre Grenzen findet die Kündigungsfreiheit aber im Missbrauchsverbot. Gemäss Bundesgericht besteht für Arbeitnehmer im fortgeschrittenen Alter und mit langer Dienstzeit eine erhöhte Fürsorgepflicht des Arbeitgebers. Daraus leitet das Bundesgericht ab, dass der Arbeitgeber den Mann frühzeitig über die geplante Kündigung hätte informieren und ihn anhören müssen. Der Mann sei nicht voll arbeitsunfähig und vor der Kündigung nicht krankgeschrieben gewesen. Aufgrund der gesamten Umstände und im Rahmen einer Abwägung der verschiedenen Interessen ist für das Bundesgericht klar, dass der Arbeitgeber eine sozialverträglichere Alternative zur Kündigung hätte prüfen müssen. Weil der Arbeitgeber dies unterlassen hat, muss er dem Mann eine Entschädigung von 4 ½ Monatslöhnen im Gesamtbetrag von Fr. 27 000.– bezahlen und sämtliche Gerichtskosten tragen.

Autorin: Andrea Gisler
erschienen im «Gossauer Info»

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